Das öffentliche Zukunftsforum widmete sich am Dienstag, 7. Juli 2015 dem Radverkehr in Lübeck.
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Wissenschaft kontrovers - Vorfahrt Schulweg? Sicher durch den urbanen Dschungel! >> (PDF)
Akteure aus Stadtverwaltung, Hochschulen und den Stadtteilen haben sich seit 2014 im Rahmen des Projekts „Zukunftskompass Lübeck – eine Stadt in Bewegung“ mit dem Schulverkehr in Lübeck am Beispiel der Ratzeburger Allee in St. Jürgen beschäftigt. Das Team um Projektleiter Manfred Hellberg aus dem Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz der Hansestadt Lübeck erarbeitete in Arbeitsgruppen detaillierte Analysen und innovative Konzepte, die modellhafte Empfehlungen für den nachhaltigen Stadtumbau und die Mobilität von morgen darstellen. Am vergangenen Dienstag, 7. Juli, wurden die Resultate in den Media Docks Lübeck öffentlich im Zukunftsforum vorgestellt und diskutiert. Mit der Veranstaltung endet das erfolgreiche Projekt, die entstandenen Ergebnisse werden nun den Gremien vorgelegt.
Die vorangegangene Befragung umfasste in einer Vollerhebung rund 4500 Schülerinnen und Schülern aus dem Postleitzahlengebiet 23562 und 23564 sowie Groß Grönau und Groß Sarau. Hier wurden neben der Entfernung zur Schule auch die Wahl des Verkehrsmittels sowie der Grund für die Nutzung des jeweiligen Mittels abgefragt. Die Arbeitsgruppe forderte aber auch die Bewertung von Radwegen, Abstellmöglichkeiten und der Sicherheit ein und fragte nach Wünschen zur Verbesserung. „Das Fahrrad ist unter den Schülerinnen und Schülern das meist genutzte Verkehrsmittel“, so Semra Dogan aus dem Zentrum für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Universität zu Lübeck, die die Befragung der Schüler geleitet hat. „Die Sicherheit der Radwege wird jedoch unter den Befragten zum Großteil nur mit befriedigend oder sogar ausreichend bis mangelhaft bewertet. 63% der Befragten wünschen sich eine Sanierung und den Ausbau der Radwege“, berichtet Frau Dogan abschließend.
Das Team um Prof. Dr. Birger Gigla aus dem Institut für Akustik der Fachhochschule Lübeck ermittelte an 15 Messorten entlang der Ratzeburger Allee den (Rad-)Schulverkehr. Sie bezogen insgesamt rund 3400 Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer in die Studie ein. Kurz vor Beginn der ersten Schulstunde erreicht die Radfahrerdichte täglich ihr Maximum: „In der Zeit von 7:35-7:50 Uhr ist die absolute ‚Rushhour‘“, berichtete Prof. Gigla. „In der Ratzeburger Alle auf Höhe Wallbrechtstraße warten an der Ampel auf einer Fläche von etwa 50 m² bis zu 30 Radfahrer gleichzeitig“, informierte der Wissenschaftler weiter. Neben Geisterfahrern unter den Radfahrer und Überholmanöver auf dem Gehweg stellen auch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Radfahrer ein hohes Gefahrenpotenzial dar. Die Höchstgeschwindigkeiten lagen bei über 40 km/h.
Nicht nur für Technikfans könnte die Entstehung der App „AURA – Deine App für urbane Abenteuer“ (aura.itm.uni-luebeck.de) eine große Unterstützung bieten. (Semi-)automatisch wird das jeweils genutzte Verkehrsmittel durch Auswertung von Smartphone-Sensoren während der zurückgelegten Strecke erfasst und dient zur Erstellung einer Echtzeit-Verkehrskarte für alle Bürger. „In vorangegangenen Workshops sind viele kreative Ideen entstanden“, freut sich Prof. Dr. Andreas Schrader vom Institut für Telematik der Universität zu Lübeck. „Meine Lieblings-App ist ein Buzzer, der einem in der Hosentasche den Tretrhythmus vorgibt. Somit könnte man durchgängig auf der ‚Grüne Welle‘ fahren.“, erklärt er eine mögliche Zukunftsvision.
In der anschließenden Fishbowl-Diskussion „Vorfahrt Schulweg? Sicher durch den urbanen Dschungel!“ diskutierten die Experten Prof. Dr. Birger Gigla aus dem Projektteam, Detlev Stolzenberg vom Planlabor Stolzenberg und der St. Jürgen Runde sowie Ralf Esemann von der Präventionsstelle der Polizeidirektion Lübeck unter der Moderation von Dr. Iris Klaßen, Leiterin des Wissenschaftsmanagement Lübecks zu diesem Thema. Kritische Betrachtungen sowie kreative Ideen kamen innerhalb von 60 Minuten zustande. So könnten sogenannte „Kiss & Ride“-Zonen, bei denen die Eltern die Kinder in einer definierten Zone etwas entfernter vom Schulgebäude absetzen, so dass diese die letzten Meter gemeinsam mit den Schulfreunden gehen können, eine Möglichkeit sein, den Verkehr vor den Schulen zu entzerren. Jedoch sollte jeder Bürger seine persönliche Begeisterung für das Fahrrad wecken, denn „bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad“, zitierte der 1. stellvertretende Stadtpräsident Klaus Puschaddel in seinem Eingangsgrußwort der Hansestadt Lübeck ausgerechnet Adam Opel, den späteren Gründer der Opel-Werke.
Zum Hintergrund
Die Hansestadt Lübeck hat sich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung beworben, gemeinsam mit der Universität zu Lübeck, der Fachhochschule Lübeck und dem Wissenschaftsmanagement Lübeck den Ausbildungsverkehr in der Stadt zu untersuchen. Unter dem Dach der ZukunftsWerkStadt wurde so eine für Lübecks Bürgerinnen und Bürger wichtige Fragestellung ins Auge gefasst. Zum Projektauftakt fand im November 2014 ein erstes Treffen in der Grund- und Gemeinschaftsschule St. Jürgen statt. Projektleiter Manfred Hellberg vom Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz der Hansestadt Lübeck betont die Bedeutung der Diskussion vor Ort: „Dies war wichtig, um das Wissen und die Anregungen von Betroffenen in die Projektkonzeption einfließen zu lassen“, erläutert er hierzu. „Insgesamt nahmen wir etwa 50 Anregungen und Hinweise zu den Themenfeldern Sicherheit, Lärm und Klimaschutz rund um den Weg zur Schule für den weiteren Projektverlauf mit“, ergänzt Wissenschaftsmanagerin Dr. Iris Klaßen. Sie plädiert dafür, den Hinweisen von Betroffenen nachzugehen und die Bürgerinnen und Bürger als Experten einzubeziehen. Im Projektverlauf wurden Befragung, Verkehrsmessung und Entwicklung einer App zur Erfassung des Verkehrs durchgeführt.
Befragung
Die befragten Schülerinnen und Schüler aus dem Postleitzahlengebiet 23562 und 23564 sowie Groß Grönau und Groß Sarau ergaben, dass der Großteil der Befragten das Fahrrad für den Weg zur Schule nutzt oder zu Fuß geht. Lediglich schlechte Witterungsverhältnisse im Winter führen zu einem Umstieg auf Bus und Auto. Semra Dogan aus dem Zentrum für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Universität zu Lübeck hat die Befragung der Schüler geleitet und berichtet, dass „Zebrastreifen, andere Ampelschaltungen und die Ausbesserung der Radwege besonders häufig gewünscht wurde.“
Verkehrsmessung
Ausgerüstet mit Geschwindigkeitsradar und Mikrophon hat das Team um Prof. Dr. Birger Gigla aus dem Institut für Akustik der Fachhochschule Lübeck den (Rad-)Schulverkehr am Gesamtverkehr ermittelt. Im Fokus stand dabei die sich formierende Welle mit all ihren Problemen in der „School-Rushhour“. Als größte Gefahrenstellen wurden Bushaltestellen mit ein- und aussteigenden Fahrgästen, dicht geparkte Autos und weitere Hindernisse auf den Radwegen identifiziert. „Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Radfahrer spielen ebenfalls eine große Rolle“, so Gigla. Das weitere Verkehrsaufkommen wurde von Herrn Prof. Jens Emig vom Labor für Verkehrsplanung der Fachhochschule Lübeck erfasst und untersucht.
Entwicklung
Im Rahmen des Projekts entsteht mit „AURA – Deine App für urbane Abenteuer“ (aura.itm.uni-luebeck.de) eine App, die (semi-)automatisch das jeweils genutzte Verkehrsmittel (Fahrrad, Auto, Bus, zu Fuß) durch Auswertung von Smartphone-Sensoren während der Strecke erfasst. Diese Daten dienen anonymisiert für die Erstellung einer Echtzeit-Verkehrskarte für alle Bürger. „Die App ist modular konzipiert und viele weitere Module für die Smart City sollen folgen“, so Prof. Dr. Andreas Schrader.“
Egal ob mit dem Elterntaxi, im Schulbus oder zu Fuß – die Teilnahme am Straßenverkehr ist für Schüler unumgänglich. Welches ist nun der beste und sicherste Schulweg? Um Fragen wie diese geht es in der Fishbowl-Diskussion „Vorfahrt Schulweg? Sicher durch den urbanen Dschungel!“, die sich an die Ergebnispräsentation um 18:30 Uhr anschließt. In einer offenen und interaktiven Runde diskutieren Experten zu diesem Thema. Das Publikum ist ausdrücklich eingeladen, sich aktiv zu beteiligen und kritisch einzubringen. Der Eintritt zu der Veranstaltung und allen Programmpunkten ist frei.
Das Projekt „Zukunftskompass Lübeck – eine Stadt in Bewegung“ stellt eine Fortsetzung der ZukunftsWerkStadt für ein leises und klimafreundliches Lübeck (2012-2014) dar. Es ist eine Fördermaßnahme des Rahmenprogramms „Forschung für Nachhaltige Entwicklungen“ (FONA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und eine Initiative des Wissenschaftsjahres 2015 - Zukunftsstadt.
Die Diskussionsrunde „Vorfahrt Schulweg? Sicher durch den urbanen Dschungel!“ ist Teil von „Wissenschaft kontrovers“, einer Veranstaltungsreihe und Online-Plattform von Wissenschaft im Dialog (WiD) im Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
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