Ortswechsel I - Rundgang zu neuen Ideen für die Innenstadt
Ein Gemeinschaftsprojekt der FH Lübeck, Labor für Städtebau und Ortsplanung, dem Lübeck Management e.V., dem FB Planen und Bauen der Hansestadt Lübeck und dem Wissenschaftsmanagement Lübeck
Ausgangssituation
Die weitere Entwicklung der Innenstadt von Lübeck wird langfristig nicht nur über die Diskussion von Einzelhandelsflächengrößen und -sortimenten und der Konkurrenz zwischen Innenstadt und grüner Wiese bestimmt, sondern auch in erheblichem Maße von dem Strukturwandel im Einzelhandel, veränderten Konsumgewohnheiten und damit verbunden, veränderten Lebensstilen. Der Strukturwandel zeigt sich in den Innenstädten durch Leerstände in bestimmten Lagen und in baulichen Typologien und führt auch bei den Handelsunternehmen zu veränderten Konzepten des Warenangebotes und der baulichen Gestaltung. Die bislang vorherrschende Einstellung, dass die Kern- und Innenstädten primär Standorte für den Einzelhandel sind, wird zunehmend in Frage gestellt. Die Rolle als Wohnstandort wird aktuell ebenso diskutiert wie auch die Funktion als kulturelles und oder auch erlebnisorientiertes Zentrum einer Region. Parallel kann konstatiert werden, dass die Innenstädte die peripheren Handelsstandorte in Funktion und Attraktivität nicht auf dem gleichen Feld schlagen können. Waren es erst nur die direkte Erreichbarkeit über einen Autobahnanschluss, das (unerschöpfliche) Parkplatzangebot und die Möglichkeit der optimalen Steuerung des Branchen- und Anbietermixes zeigen die peripheren Standorte aktuell starke Bestrebungen, die bislang den Innenstädten zugehörigen Attribute wie Kleinteiligkeit, Atmosphärenschaffung und ergänzende kulturelle Angebote ebenfalls zu übernehmen (Urban Entertainment Center). Eine mögliche Antwort, die Etablierung von Shopping Centern in den Innenstädten, ist fachlich umstritten und Bedarf bestimmter baulich-räumlicher und verkehrlicher Voraussetzungen. Zusätzlich wirken sich auch Strukturveränderungen und Standortverlagerungen im Bereich der Dienstleistung wie auch der Verwaltung auf die Nutzung und Nutzungsintensität zentraler Lagen aus. Beispielhaft sei hier nur das Bankenwesen mit dem Rückgang des Publikumsgeschäftes in Filialen und der Digitalisierung der Geschäftsprozesse genannt.
Die aktuell zu verzeichnenden Leerstände von Ladenlokalen und Geschäftsgebäuden in der Lübecker Innenstadt können Ausdruck eines zu hohen Flächenangebotes in Lübeck insgesamt sein oder bereits die Konsequenz eines Strukturwandels. Eine Frage, die zu diskutieren kurzfristig für die wirtschaftlichen Akteure am Markt von hoher Relevanz ist, für eine Diskussion um die Perspektive des Standortes Innenstadt aber zu kurz greift. Es muss thematisiert werden, welche Veränderungskräfte im Strukturwandel stecken, um darauf aufbauend zu diskutieren, welche Perspektiven die unterschiedlichen Standorte und insbesondere die Innenstadt in diesem Veränderungsprozess haben. Was vor diesem Hintergrund ist die Perspektive der Lübecker Innenstadt?
Genauer hinsehen: Reflektion, Kooperation und Interaktion
Diese grob umrissene Ausgangssituation war Anlass im Rahmen des Konzepts Perspektive InnenSTADT Lübeck einen Prozess des Nachdenkens über und des Entdeckens von Potenzialen und Perspektiven der Innenstadt jenseits der Diskussion um Sortimentsgrößen und Flächenansprüchen zu starten. Stadtentwicklung als Ganzes erfordert neue Partnerschaften zwischen Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Kultur, Wirtschaft (auch Immobilienwirtschaft) und Initiativen. Das gilt um so mehr, wenn Verwaltungskapazitäten und finanzielle Handlungsmöglichkeiten einer Stadt abnehmen. Um weiterhin Ziele erreichen zu können, ist es sinnvoll nach Kooperationspartnern Ausschau zu halten. Aus diesem Grunde haben sich die Fachhochschule Lübeck, das Lübeck Management e.V., der FB Planen und Bauen der Hansestadt Lübeck und das Wissenschaftsmanagement Lübeck zusammengeschlossen, um einen Prozess gemeinsam in neuer ko-kreativer Partnerschaft anzustoßen. Dieser Prozess soll auch und vor allem diejenigen ansprechen, die ein Interesse an der Entwicklung der Innenstadt haben. Das sind die Stadtnutzer, die Händler aber vor allem die Eigentümer. Um hier den Rahmen für eine offene Diskussion zu schaffen, wurden als Auftakt Aktivitäten geplant, die für die Potenziale und Perspektiven sensibilisieren und darauf aufbauend zur Diskussion als gemeinsames Nachdenken führen sollten. Den Auftakt bildete die Kampagne „ORTSWECHSEL - Rundgang zu neuen Ideen für die Innenstadt“, eine gemeinsam geplante zweistufige Aktion in Verbindung von Projektwoche der FH und öffentlicher Abschlusspräsentation.
Sensibilisierung und Aufmerksamkeit: Seminar Urbane Träume an der FH Lübeck.
Im Rahmen einer Projektwoche vom 18.-20.5.2015 realisierten Studierende unter der Anleitung von Janine Tüchsen Interventionen im städtischen Raum, die sich mit (leerstehenden) Räumen der Innenstadt auseinandersetzen und Potenziale und Perspektiven aus individueller Sicht kreativ ausloten. Die Ergebnisse des Aktionsseminars wurden vor Ort produziert und umgesetzt und setzten sich mit drei Standorten (ungenutzte Ladenlokale) konkret auseinander.
Diskutieren und Positionen entwickeln: „ORTSWECHSEL - Rundgang zu neuen Ideen für die Innenstadt“
In direktem Anschluss an die Projektwoche wurde am Freitag, 22. Mai 2015, 17:00 Uhr zu einem Spaziergang durch die Innenstadt eingeladen, die auf großes Interesse gestoßen ist (ca. 100 Interessierte). Die Stationen waren die Standorte, die von den Studierenden bespielt wurden, die drei leerstehenden Ladenlokale in der Lübecker Innenstadt (Beckergrube 24-26, Königstraße 95, Forever18, Wahmstraße/Breite Straße). Diese Veranstaltung wurde in weiterer Kooperation mit dem Wissensnetzwerk Stadt und Handel realisiert.
Folgende Leitfragen wurden aufgeworfen:
• Sind die aktuell zu verzeichnenden Leerstände von Ladenlokalen und Geschäftsgebäuden in der Lübecker Innenstadt Ausdruck eines zu hohen Flächenangebotes in Lübeck oder bereits die Konsequenz eines Strukturwandels?
• Welche Veränderungskräfte stecken im Strukturwandel?
• Welche Perspektiven haben die unterschiedlichen Standorte und insbesondere die Innenstadt in diesem Umgestaltungsprozess? Nach Vorträgen und Intervention der Studierenden jeweils vor Ort bildete eine moderierte Diskussionsrunde den Abschluss, in der Herausforderungen und Perspektiven des Einzelhandels in Innenstädten, aber auch darüber hinaus die zukünftige Rolle der Innenstädte für Kultur, Arbeiten und Wohnen ergänzt durch lokale Einschätzungen thematisiert wurden.
Fazit
Ziel war es, Verbesserungen, Veränderungen und Neues für die Stadt herauszuarbeiten. Es ging nicht um die große gesamtstädtische Problemlösung, sondern vielmehr darum, ein Stadtgefühl zu kreieren, eine Bewegung in Gang zu setzten. Wissenschaft wurde konkret nutzbar und die Idee mit dem Ortswechsel erlebbar gemacht. Diese Woche zeigte auch, wie eine „Stadt als Campus“ funktionieren kann. Raus aus dem Hörsaal, rein in die Stadt. Voneinander wissen und voneinander lernen. Das Rad braucht nicht neu erfunden zu werden. Was machen andere Städte? Was passt zu Lübeck? Das funktioniert über Begegnungen.
Die „Raumwerker“, die Studierenden der Fachhochschule Lübeck überzeugten mit ihren kreativen Impulsen und vor Allem ihren Gedanken, Ideen und Gestaltungsansätzen für das Leerstandsproblem in Innenstädten.und sahen einhellig einen Mehrwert für sich: „mehr als man mit Geld aufwiegen kann“. Die Stadt war eine Woche ein Labor.
Die Diskussion war geprägt durch eine zu Beginn vereinbarte Spielregel, nicht die bestehende Situation zu beklagen, sondern zukunftsgerichtet nach vorne zu schauen, um neue Ideen und kooperative Lösungsansätze im Interesse der Stadt zu erhalten. Als ein Grund der Leerstände wurde angenommen, dass dies an dem Trend der „Showroom-Fassaden“ liegt; eine Nutzung begrenzt sich auf das Erdgeschoss und den vom Schaufenster einsehbaren vorderen Raum. Daraus wurde die Frage aufgeworfen „Wie nutzen wir die Stadt? Und noch weitergehender: “Was ist die Identität unserer Stadt?“ „Identität braucht Räume!“ Die Notwendigkeit eines „Raumregisseurs“ wurde bekräftigt. Investitionen in das Wohnklima und die Lebensqualität als unverzichtbare Bestandteile definiert. Festgestellt wurde, dass "Wissen" fehlt und vorhandenes Datenmaterial aktualisierungs- und ergänzungsbedürftig ist.
Umfassende Betrachtungen finden sich aus den 70er Jahren; Angaben der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Wechselwirkungen Peripherie / Innenstadt wären aufschlussreich; die Bestandserhebung der Einzelhandelsflächen - datiert von 2009 – ist in Fortschreibung durch die Stadtplanung; das jährliche Einzelhandelsmonitoring könnte wünschenswerterweise um verschiedene Aspekte breiter aufgestellt sein; der Masterplan Innenstadt datiert von 1983. Dementsprechend sind Überlegungen geäußert worden, sich dem Thema mit einer aktuellen Analyse zu nähern und ggf. durch Szenarien zu evaluieren. Möglicherweise böte dies zugleich eine Chance, sich zukünftig auf eine die Innenstadt betreffende Sichtweise zu einigen. Wunsch aller Beteiligten war es einvernehmlich, diese Initiative, dieses Konzept weiterzuentwickeln, denn „Unsere Innenstadt ist unwiederbringlich!“. Arbeiten, wie die der Studierenden wurden als empathische Investitionen in die Stadtentwicklung angesehen.
Zusammenfassend ist als Ergebnis der öffentlichen Diskussion Folgendes zu notieren:
• Einrichtung eines ständigen Schaufensters der Fachhochschule in der Innenstadt; auch Ausstellung von Entwürfen der Studienarbeiten, die sich mit Stadtentwicklung beschäftigen; Entwicklung eines „Starter-Kit“
• Etablierung eines Formats des Austausches in der Innenstadt
• Planung und Durchführung eines nächsten Ortswechsels im Mai 2016
• Empfehlung für die Erstellung eines neuen Masterplans Innenstadt und Überprüfung bestehender Planungen auf dieser Basis; Erstellen einer aktuelle Analyse mit Szenarien; Ergänzung um fehlende Daten
• Fortsetzung der Perspektive Innenstadt in der bestehenden Partnerschaft
AnsprechpartnerInnen:
Prof. Dipl. Ing. Frank Schwartze |
- Stadtplaner / Leiter Masterstudiengang Städtebau und Ortsplanung -
Labor für Städtebau und Ortsplanung Fachbereich Bauwesen
Fachhochschule Lübeck Mönkhofer Weg 239 | D - 23562 Lübeck |
Germany
Tel.: +49 (0)451/300 5481
fax.: +49 (0)451/300 5079
mobil: +49 (0)171 50 45 142
frank.schwartze@fh-luebeck.de
Karsten Schröder
- Leiter Stadtplanung
FB 5 – Planen und Bauen
5.610 Stadtplanung Mühlendamm 12
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Mobil: +49(0)1577 20 40 777
karsten.schroeder@luebeck.de
www.luebeck.de
Olivia Kempke
- Geschäftsführerin -
Lübeck Management e.V.
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck
Tel. +49 (0) 451 7073021
Fax +49 (0) 451 73133
Mobil: +49 (0)176 32705369
kempke@luebeckmanagement.de
www.luebeckmanagement.de
Susanne Kasimir
Wissenschaftsbeauftragte der Hansestadt Lübeck
Wissenschaftsmanagement Lübeck
Haus der Wissenschaft
Breite Straße 6 – 8
23552 Lübeck
Tel. +49(0)451 122 1321
Fax: +49(0)451 70 78 26 29
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